Wohn- und Werkhaus Weilerstraße

Fertigstellung 2020
Bauherrschaft privat
Standort Schwaikheim
Leistungsbild CAPE Architektur Lph 1-4 und baukünstlerische Oberleitung
Energiekonzept
Kooperation mit
schleicher.ragaller freie architekten bda
Immenhofer Straße 17/1
70180 Stuttgart
(Lph 5-8)
Weitere Projektbeteiligte
Tragwerksplanung Werner & Balci GmbH
Untere Beutau 31
73728 Esslingen
Planung HLS JSP Jürgen Schroth
Stettiner Str. 2172622 Nürtingen
Bauphysik Dipl.-Ing. (FH) Jens Wössner
Weilerstraße 19
71409 Schwaikheim
Auszeichnungen
BDA Baden-Württemberg – Hugo-Häring-Auszeichnung 2023
Wohnbauten des Jahres 2021 – 1. Preis
Nominiert für den DAM-Preis 2022
Nominiert für den Architekturpreis Farbe – Struktur – Oberfläche 2021

Als die auf dem Baugrundstück vorhandenen landwirtschaftlichen Gebäude am Ende ihrer Lebenszeit angekommen waren und abgebrochen werden mussten, war es der in Schwaikheim verwurzelten Bauherrenfamilie ein Anliegen, in der Region Stuttgart dringend benötigten, zeitgemäßen Wohnraum zu schaffen, zugleich aber den Charakter des Ortskerns zu stärken. Dabei auf das Baumaterial Holz zu setzen, war eine naheliegende Entscheidung – nicht nur, weil großer Wert auf eine nachhaltige Bauweise gelegt wurde und an örtliche Bautraditionen angeknüpft werden sollte, sondern auch, weil der Bauherr ein ausgebildeter Zimmermann ist.

Aus dieser Haltung heraus entstand ein dreigeschossiges Mehrfamilienhaus, ergänzt um eine Einstellhalle, die für die nach wie vor im Nebenerwerb betriebene Landwirtschaft benötigt wird, die es dem Bauherrn aber auch ermöglicht, in überschaubarem Umfang weiter in seinem ursprünglichen Beruf tätig zu sein. So verbindet das Ensemble – der dörflichen Tradition entsprechend und als bewusster Gegenentwurf zu den reinen Wohngebieten, die überall in der Region die Ortsränder dominieren – Wohnen und Arbeiten auf demselben Grundstück, was nicht nur für eine Belebung des Ortskerns sorgt, sondern auch den sozialen Austausch fördert und unnötige Wege spart.

Beide Gebäudeteile ruhen auf einem gemeinsamen massiven Sockel, der den Geländeversprung zum Garten aufnimmt.

In ihrer Materialität aus dunkel gestrichener Holzfassade und grob geschaltem Sichtbeton greifen sie Motive aus der Umgebung und des Vorgängerbaus auf.

Die beiden in der Schnittfigur identischen, aber unterschiedlich hohen und langen Gebäude sind so zueinander versetzt, dass sie einen Werkhof als gemeinsames Vorfeld und Erweiterung des Straßenraums ausbilden. Abends und am Wochenende verwandelt sich der Werkhof in einen Ort des Treffens und des Austauschs, bis hin zum Weihnachtsbaumverkauf für die Nachbarschaft, der jedes Jahr hier stattfindet.

Das Gebäude umfasst sechs Wohnungen unterschiedlicher Größe (75 – 99 m²), die jeweils über einen offenen Wohnbereich, zwei bis vier daran angeschlossene, flexibel nutzbare Individualräume und eine Loggia als geschützten Außenbereich verfügen.

Damit sich das Gebäude an wechselnde Bedürfnisse anpassen kann, wurden verschiedene Nutzungsszenarien vorausbedacht und in den Grundrissen und der Konstruktion berücksichtigt. So kann z.B. in den Obergeschossen ein Schaltzimmer wahlweise der einen oder der anderen Wohnung zugeordnet werden. In der Decke zwischen Gartengeschoss und Erdgeschoss ist eine Deckenöffnung vorgerichtet, über die die beiden Wohnungen bei Bedarf zu einer großen Familienwohnung zusammengelegt werden können.

Alle Wohnungen sind großzügig nach Süden geöffnet, was zusammen mit der hoch gedämmten Gebäudehülle und einer Wärmepumpenheizung einen minimierten Heizenergiebedarf bewirkt (KfW55). Durch die Ergänzung einer bereits vorbereiteten PV-Anlage auf dem optimal orientierten Süddach kann das Haus jahresbilanziell einen Großteil seines Energiebedarfs für Heizung und Warmwasser selbst decken; im Sommer erzielte Überschüsse stehen für die in den Garagen eingebauten Elektrotankstellen zur Verfügung.

Das klare Konstruktionsprinzip mit tragenden Außenwänden und einem durchlaufenden Träger entlang der Mittelachse des Gebäudes ermöglicht nicht nur eine flexible Grundrisseinteilung – gerade auch im Hinblick auf spätere Umbauten – sondern auch kurze, einheitliche Spannweiten und damit schlanke Decken. Als gestalterisch wirksame Oberflächen sind sie als Brettsperrholzelemente ausgeführt und bleiben raumseitig sichtbar. Alle Innen- und Außenwände sind dagegen im Interesse der Materialersparnis als Holzständerwände ausgeführt.

Die breiten, sägerauen und schwarz lasierten Fassadenbretter nehmen Bezug auf die wettergegerbten landwirtschaftlichen Gebäude, die das Ortsbild lange prägten. Im Gegenzug dazu sprechen die in das Sockelbauwerk aus Sichtbeton eingelassenen Tür- und Torelemente die feinere Sprache des Möbelbaus.

Fotos: Zooey Braun

Veröffentlichungen (Auswahl):

  • Förster, Yorck; Gräwe, Christina; Cachola Schmal, Peter (Hrsg.): Architekturführer Deutschland. DOM Publishers, Berlin 2021
  • Hellstern, Cornelia: Urbaner Geist im ländlichen Raum.
    In: Horx, M.; Hellstern, C.: Ausgezeichneter Wohnungsbau 2021. Callwey Verlag, München 2021, S. 16-25
  • Gunßer, Christoph: Ländlichkeit als Bild.
    In: Baumeister B9/21: Zukunft Bauen
  • Höchst, Martin: Dem Ort verbunden.
    In: Deutsche Bauzeitung 12/2020